Milena Olip
08.03.2024 32 min
Zusammenfassung & Show Notes
Herzlich Willkommen beim Podcast Unfolding Infinite Storyscapes des Kulturvereins Interferenzen.
Unser heutiger Gast ist Frau Milena Olip. Frau Olip lebt in ihrem Geburtsort Zell auf fast 1000 Meter Seehöhe unter den mächtigen Felshängen der Koschuta. Ihr Ausbildungsweg führte sie zuerst auf die Südseite der Karawanken, nach Ljubljana, später auch noch nach Berlin.
»Wenn man ständig in den Bergen lebt, in der engen Umgebung, wo man nur nach oben sieht, aber nicht nach links und rechts, finde ich es auch absolut wichtig, manchmal raus zu kommen«, sagt Frau Olip im Interview. Diese Lebenseinstellung hat die Kärntnerin dazu gebracht, für ein Jahr eine Weltreise zu machen. Seit ihrer Kindheit ist sie im örtlichen Kulturverein tätig und seit vielen Jahren bereichert sie in ihrer bewegend poetischen Sprache die Filmwelt. Fühlt Frau Olip im Alpen Adria Raum ihren Wirkungsbereich, so berührt ihre Arbeit auch Menschen weit darüber hinaus. Mit ihrem neuesten Kurzfilm »Talking to a survivor/Pogovor s preživelim« konnte sie bisher 17 internationale Filmpreise gewinnen.
Welcher Weg führte sie zum Film? Was hat sich seit ihrer Kindheit in Zell verändert? Welche Herausforderungen sieht Frau Olip im kulturellen Schaffen? Kann es sein, dass die ausgesprochene Natur-Liebhaberin keine Grenze zwischen Kärnten und Slowenien wahrnimmt?
Hören sie Katarina Wakounig-Pajnič, im Gespräch mit Milena Olip.
Gespräch mit deutschen Untertiteln: https://youtu.be/EOrrdenLwUE
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Dobrodošli v podkastu Unfolding Infinite Storyscapes Kulturnega društva Interferenzen.
Naša današnja gostja je gospa Milena Olip. Gospa Olip živi v svojem rojstnem kraju Sele, skoraj 1000 metrov nad morjem, pod mogočnimi skalnimi pobočji Košute. Izobraževalna pot jo je najprej zanesla na južno stran Karavank, v Ljubljano, nato pa v Berlin. Gospa Olip pravi: »Ko ves čas živiš v hribih, v ozki okolici, kjer vidiš le navzgor, ne pa levo in desno, se mi zdi nujno, da se včasih odpraviš ven.« Tak odnos do življenja je Korošico pripeljal do tega, da je za eno leto potovala po svetu. Že od malih nog je aktivna v domačem kulturnem društvu in s svojo ganljivo poetično govorico bogati filmski svet že vrsto let. Gospa Olip meni, da je njeno območje delovanja v regiji Alpe-Jadran, njeno delo pa se dotika tudi ljudi preko tega območja. Z zadnjim kratkim filmom »Talking to a survivor/Pogovor s preživelim« je doslej prejela 17 mednarodnih filmskih nagrad.
Kakšna življenjska pot jo je pripeljala do filma? Kaj se je v Selah spremenilo od njenega otroštva? Kakšne izzive gospa Olip vidi v kulturnem delovanju v Selah? Ali je mogoče, da globoka ljubiteljica narave ne čuti meje med Koroško in Slovenijo?
Zdaj pa prisluhnite Katarini Wakounig-Pajnič v pogovoru z Mileno Olip.
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Mit Unterstützung von: Land Kärnten und BKA Interkulturelle Förderung
Unser heutiger Gast ist Frau Milena Olip. Frau Olip lebt in ihrem Geburtsort Zell auf fast 1000 Meter Seehöhe unter den mächtigen Felshängen der Koschuta. Ihr Ausbildungsweg führte sie zuerst auf die Südseite der Karawanken, nach Ljubljana, später auch noch nach Berlin.
»Wenn man ständig in den Bergen lebt, in der engen Umgebung, wo man nur nach oben sieht, aber nicht nach links und rechts, finde ich es auch absolut wichtig, manchmal raus zu kommen«, sagt Frau Olip im Interview. Diese Lebenseinstellung hat die Kärntnerin dazu gebracht, für ein Jahr eine Weltreise zu machen. Seit ihrer Kindheit ist sie im örtlichen Kulturverein tätig und seit vielen Jahren bereichert sie in ihrer bewegend poetischen Sprache die Filmwelt. Fühlt Frau Olip im Alpen Adria Raum ihren Wirkungsbereich, so berührt ihre Arbeit auch Menschen weit darüber hinaus. Mit ihrem neuesten Kurzfilm »Talking to a survivor/Pogovor s preživelim« konnte sie bisher 17 internationale Filmpreise gewinnen.
Welcher Weg führte sie zum Film? Was hat sich seit ihrer Kindheit in Zell verändert? Welche Herausforderungen sieht Frau Olip im kulturellen Schaffen? Kann es sein, dass die ausgesprochene Natur-Liebhaberin keine Grenze zwischen Kärnten und Slowenien wahrnimmt?
Hören sie Katarina Wakounig-Pajnič, im Gespräch mit Milena Olip.
Gespräch mit deutschen Untertiteln: https://youtu.be/EOrrdenLwUE
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Dobrodošli v podkastu Unfolding Infinite Storyscapes Kulturnega društva Interferenzen.
Naša današnja gostja je gospa Milena Olip. Gospa Olip živi v svojem rojstnem kraju Sele, skoraj 1000 metrov nad morjem, pod mogočnimi skalnimi pobočji Košute. Izobraževalna pot jo je najprej zanesla na južno stran Karavank, v Ljubljano, nato pa v Berlin. Gospa Olip pravi: »Ko ves čas živiš v hribih, v ozki okolici, kjer vidiš le navzgor, ne pa levo in desno, se mi zdi nujno, da se včasih odpraviš ven.« Tak odnos do življenja je Korošico pripeljal do tega, da je za eno leto potovala po svetu. Že od malih nog je aktivna v domačem kulturnem društvu in s svojo ganljivo poetično govorico bogati filmski svet že vrsto let. Gospa Olip meni, da je njeno območje delovanja v regiji Alpe-Jadran, njeno delo pa se dotika tudi ljudi preko tega območja. Z zadnjim kratkim filmom »Talking to a survivor/Pogovor s preživelim« je doslej prejela 17 mednarodnih filmskih nagrad.
Kakšna življenjska pot jo je pripeljala do filma? Kaj se je v Selah spremenilo od njenega otroštva? Kakšne izzive gospa Olip vidi v kulturnem delovanju v Selah? Ali je mogoče, da globoka ljubiteljica narave ne čuti meje med Koroško in Slovenijo?
Zdaj pa prisluhnite Katarini Wakounig-Pajnič v pogovoru z Mileno Olip.
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Mit Unterstützung von: Land Kärnten und BKA Interkulturelle Förderung
Transkript
Herzliche Willkommen beim Podcast
Unfolding Infinite Storyscapes
des Kulturvereins Interferenzen.
Unser heutiger Gast ist Milena Olip.
Frau Olip lebt in ihrem
Geburtsort Zell
auf fast 1000 Meter
Seehöhe unter
den mächtigen Felshängen
der Koschuta.
Ihr Ausbildungsweg führte sie zuerst
auf die Südseite der Karawanken,
nach Ljubljana, später auch noch
nach in das weite Berlin.
Frau Olip sagt:
»Wenn man ständig in den Bergen
lebt, in der engen Umgebung,
wo man nur nach oben sieht, aber
nicht nach links und rechts,
finde ich es auch absolut wichtig,
manchmal raus zu kommen.«
Diese Lebenseinstellung hat die
Kärntnerin dazu gebracht,
für ein Jahr eine Weltreise zu machen.
Seit ihrer Kindheit ist sie im
örtlichen Kulturverein tätig und
in poetischer Sprache bereichert
sie seit vielen Jahren die Filmwelt.
Fühlt Frau Olip im Alpen Adria
Raum ihren Wirkungsbereich,
so berührt ihre Arbeit auch
Menschen weit darüber hinaus.
Mit ihrem neuesten Kurzfilm
»Talking to a survivor«
konnte sie bisher siebzehn
internationale Filmpreise gewinnen.
Welcher Weg führte sie zum Film?
Was hat sich seit ihrer Kindheit
in Zell verändert?
Welche Herausforderungen sieht
Frau Olip im kulturellen Schaffen?
Kann es sein, dass die
Natur-Liebhaberin keine Grenze
zwischen Kärnten und Slowenien
wahrnimmt?
Hören sie Katarina Wakounig-Pajnič
im Gespräch mit Milena Olip.
Milena Olip, Regisseurin und
Drehbuchautorin, Kärntner Slowenin.
Nach der Matura am Slowenischen
Gymnasium hast du an der
Pädagogischen Hochschule in
Klagenfurt studiert, was dir jedoch
nicht ausreichte, so hast du dein
Masterstudium an der Akademie für
Theater, Radio, Film und Fernsehen
in Ljubljana fortgesetzt.
Du bist Gastprofessorin an der
Filmuniversität Konrad Wolf
in Berlin.
Filmemacherin, Drehbuchautorin
und Volksschullehrerin.
Milena, was hat deine
Entscheidungen beeinflusst,
wie und warum hast du dich
für deinen Bildungsweg entschieden?
Ja, es scheint mir, dass eins zum
anderen führte.
Nach der Matura wollte ich
Architektur in Graz oder
Wien studieren.
Ich hatte damals nicht den Mut
und beschloss, an der Akademie
bzw an der damaligen
Pädagogischen Akademie in
Klagenfurt zu studieren, und nach
3 Jahren war ich Volksschullehrerin
und begann zu unterrichten.
Nach einem Jahr wurde mir klar,
dass es nicht sein konnte, dass es
das war und ging einfach so zur
Aufnahmeprüfung nach Ljubljana,
auch mit dem Wissen, dass ich mir
später keine Vorwürfe machen werde,
es nicht einmal versucht zu haben.
Ich habe Ende August eine
Nachricht aus Ljubljana erhalten,
dass ich angenommen wurde, und
gleichzeitig die Bestätigung, ich
könnte als Lehrerin weitermachen,
denn als junge Lehrerin bekommt
man jedes Jahr einen neuen Vertrag,
damit man weiter arbeiten kann,
natürlich habe ich mich für Ljubljana
entschieden.
Eine solche Gelegenheit ist
etwas Schönes, Einzigartiges,
nichts Selbstverständliches, dass
man an der Akademie in
Ljubljana auf genommen wird.
Dann ging ich nach Ljubljana und
blieb dort vier Jahre.
Es scheint mir, dass dies einer der
wichtigsten Schritte in meinem Leben
war, alles was folgte, wäre ohne
dem wahrscheinlich nicht passiert.
Auch dieses Gaststudium in Berlin.
Ich hatte den Status einer
Absolventin in Ljubljana und
überlegte, wo ich die Diplomarbeit
schreiben könnte, und entschied
mich für Berlin.
Es stellte sich heraus, dass Berlin
eine sehr interessante, kreative
und vielfältige Stadt ist, sodass
ich zurückkam, ohne ein Diplom zu
schreiben, aber mit einem ganzen
Stapel und einem Rucksack an
neuen Erfahrungen, neuen Ideen,
und schrieb dann in relativ kurzer
Zeit meinen Abschluss in Zell.
Auch die Weltreise, zehn Jahre
später, hätte ich ohne Berlin wohl
nicht gemacht. Es ist also eine Art
Dominoeffekt, aber es scheint mir,
dass dieser einen sehr schönen Weg
und ein schönes und interessantes
Muster in mein Leben gezeichnet hat.
Du hast uns deinen abwechslungs-
reichen Studienweg beschrieben.
Wer hat dich motiviert?
Die Studienauswahlen?
Kam das von dir selbst?
Wie gelang es dem Mädl’ von unter
der Koschuta, wenn ich das so sagen
darf, auf unglaublich erfolgreiche
Weise am internationalen Parkett
der Regisseure Fuß zu fassen?
Nun, ich muss zugeben, dass es zum
internationalen Parkett noch ein
großes Stück fehlt, aber Fakt ist,
dass Weg weitergehen muss.
Nach der Pädagogischen Akademie,
bzw. nachdem ich schon ein Jahr
unterrichtet hatte und finanziell
selbstständig war, war die
Information für meine Eltern neu,
dass ich mein Studium in Ljubljana,
um ein exotisches Studium wie
Filmregie fortsetzen würde.
So sagten mein Vater und Mutter:
»OK, wenn du das möchtest, bezahlen
wir die Wohnung, und du kümmerst
dich selbst um alles andere« und
das war natürlich schon eine große
Hilfe, aber es war kein Impuls, der
von meinen Eltern kam oder aus
meiner Umgebung.
Tatsache ist natürlich, dass es die
Eltern waren, die mich in meiner
Kindheit indirekt zu diesen Dingen
geführt hatten, denn beide waren
aktive Kulturschaffende, im
Gesangs- und im Theaterbereich, und
das sind natürlich Dinge, die einen
Menschen, ein Kind, formen.
Also haben vielleicht beide indirekt
meine Entscheidung beeinflusst.
Werfen wir einen kurzen Blick auf
deine Entwicklung seit dem Jahr
2000, als du mit 18 Jahren den
Kurzdokumentarfilm »Sanje/Der Traum«
gedreht hast, darauf folgten
2006 »Libero« mit vielen Preisen,
2007 »Srce je žalostno«,
2008 »V roju kresnic«.
Zehn Jahre später die großartige
Präsentation von »Sine Legibus –
auf den Spuren von 1976«.
Was hat dir bei all dem Flügel
verliehen, was inspiriert dich?
Ja, es ist wohl notwendig, auf den
Weg zurückzublicken bzw. dass das
Eine notwendig war, dass das Andere
möglich wurde. Ich habe
»Sanje/Der Traum« zusammen mit
meiner Kollegin Nadja Wakounig
an der Pädagogischen Akademie
aufgenommen.
Im Fach Multimediakunst, damals eine
neue, eine nicht greifbare Sache.
Eine Möglichkeit war, eine Power
Point-Präsentation zu machen, was
damals noch nicht so alltäglich war,
oder einen Film zu drehen.
Und da haben wir beschlossen, einen
Film zu machen, »Sanje/Der Traum«.
Natürlich mit sehr bescheidenen
technischen Hilfsmitteln, sozusagen
auch ohne Filmkenntnissen. Wir haben
alles mehr nach Gefühl gemacht und
aus dem Inneren und vom Zufall
geleitet. Der Film kam recht gut an
und der damalige Professor sagte:
»OK, der ORF veranstaltet dieses
Jahr zum ersten Mal einen Kurzfilm-
Wettbewerb, »Shorts on Screen«.
Warum bewerbt ihr euch nicht auch
mit diesem Film?«
Und wir haben gewonnen.
Dann wurden wir zur Diagonale nach
Graz eingeladen und da haben wir
zum ersten Mal, zumindest kann ich
das für mich selbst sagen, dass ich
dieses magische Gefühl von
Filmfestivals gespürt habe. Das ist
immer ein sehr magisches und
wunderbares Ereignis, bei dem sich
Menschen treffen, die Film lieben,
die mit Filmen interessante
Geschichten erzählen, und
wahrscheinlich habe ich mich da mit
diesem Virus infiziert, der mich bis
heute nicht verlassen hat. Ich
glaube, dass ich den für den Rest
meines Lebens in mir tragen werde.
»Sanje/Der Traum« ist wahrscheinlich
auch der Grund, warum ich die
Aufnahmsprüfungen in Ljubljana
abgelegt habe. Und dann die
Kurzfilme, die während des Studiums
in Ljubljana entstanden sind.
»Sine Legibus« ist eine solche
interessante Geschichte.
Mit Studien-Kollegen habe ich
oft über die Kärntner Slowenen und
Sloweninnen gesprochen.
Gleichzeitig wurde mir klar, dass
sie sehr wenig über uns wussten.
Ich erzählte ihnen verschiedene
Geschichten darüber, was hier in
Kärnten passiert, und eine dieser
Geschichten war die Entführung
der Wahlurne in Zell.
Alle sagten: »Milena, das ist
eine Geschichte, die sich sehr gut
als Film eignet.«
Im optimalen Fall natürlich eine
voll gespielte Form, denn sie
enthält historische Fakten, sie
enthält Handlung, da ist etwas, was
sehr dynamisch ist. Warum hat es so
lange gedauert? Von der ersten
Drehbuchfassung bis zum fertigen
Film vergingen sieben Jahre, d.h.
gemeinsam mit dem Produzenten haben
wir die erste Version des Drehbuchs
eingereicht, die natürlich nicht
genehmigt wurde, es hat immer etwas
gefehlt und wir haben es jedes Jahr
erneut versucht, das Drehbuch
angepasst und nach sieben Jahren
tatsächlich eine Basisfinanzierung
bekommen und dann habe ich gesagt:
»OK, so lange haben wir gekämpft,
haben uns bemüht. Jetzt haben wir
endlich eine Unterstützung, also
muss jetzt gehandelt werden.«
Anschließend dauerten das Drehen
und die Postproduktion ca. ein Jahr.
Im Jahr 2022 kam der Film
»Talking to a survivor« heraus,
der sich kritisch mit der
Rüstungsindustrie auseinandersetzt.
Der Titel stammt aus einem Gedicht
von Erich Fried,
der Erzähler im slowenischen Dialekt
und auf Englisch ist Tom Priestly.
Beim Online-Festival unabhängiger
Filmemacher in Calgary wurde er als
bester Film in der Kategorie Filme
über die COVID-Zeit ausgezeichnet.
Du sagst, der Überlebende im Film
sei jeder, der sich dem System des
Kapitalismus widersetzt.
Was und vor allem warum willst du
das dem Betrachter vermitteln?
Es war eine ganz besondere Zeit.
Wir befanden uns mitten in einer
Pandemie, ich weiß, wie viele
Familien tatsächlich unter diesen
Lockdowns gelitten haben.
Sie waren in ihren Wohnungen,
sie konnten nicht raus und das
waren wirklich extreme Situationen,
in denen sie sich befanden.
Und manche haben sich noch nicht
vollständig erholt, aus dieser
wirklich beengten Situation.
Gleichzeitig habe ich erlebt, dass
bestimmte Dinge so weiter liefen,
als wäre nichts.
Eines davon war die Waffenproduktion
nicht weit von uns entfernt, und
das hat mich so geärgert.
Ich habe in mir, ich sage jetzt
bewusst, Wut gespürt.
Wahrscheinlich waren diese Gefühle
von mir noch intensiver, weil ich
hochschwanger war und ich mich
gefragt habe, in was für einer Welt
ich lebe, und da habe ich meine
ganze Kraft zusammengenommen,
natürlich auch mit Hilfe von vielen
Leuten. Kameramänner, die diese
wunderbaren Aufnahmen mit der
Drohne kostenlos gemacht haben, und
den Schnitt habe ich alleine gemacht.
Das ist also eigentlich ein
Low-Budget-Film, aber er scheint
ganz gut zu funktionieren, und vor
allem liegt die Qualität des Films
wahrscheinlich darin, dass er auf
poetische Weise eine grausame
und brutale Geschichte erzählt.
So heben auch die Reaktionen der
Festivals, die Interpretationen der
Jurys, die den Film ausgezeichnet
haben, diese Gegensätze hervor:
schöne Musik, schöne Bilder, eine
poetische Sache und auf der
anderen Seite die Brutalität,
die uns jeden Tag umgibt.
Du hast bereits deinen
Herkunftsort, Zell, erwähnt.
Kannst du unseren Zuhörern,
die Zell vielleicht nicht kennen,
dein Tal, deine Heimat,
dein zu Hause vorstellen?
Was ist für dich das Besondere daran?
Du hast in Deutschland gelebt, du
hast in Slowenien gelebt.
Jetzt, wo du wieder hier lebst,
kannst du die Menschen in all
diesen Gegenden vergleichen?
Zell ist ein Bergdorf mitten in
der Karawanken, wir nennen es
auch das Herz der Karawanken,
wir sind von Bergen umgeben,
mit schönen saftigen Wiesen.
Zell ist immer noch sehr slowenisch
geprägt, wobei hier auch erwähnt
werden muss, dass sich auch in Zell
die sprachliche Situation verändert.
Verglichen mit der Zeit, als ich in
die Volksschule ging, ist die Lage
heute eine andere. Trotzdem ist das
slowenische Kulturleben in Zell
immer noch sehr lebendig und
sehr aktiv. Für mich persönlich
ist Zell auch eine Energiequelle,
wie du schon gesagt hast, ich bin
viel gereist, habe viel gesehen,
aber Zell ist ein Naturjuwel.
Die Natur liegt mir sehr am Herzen,
und wenn man sie in Zell nicht
findet, dann stimmt etwas nicht,
denn die Natur ist hier immer noch
sehr unberührt, die Leute achten
auch immer noch darauf, dass die
Wiesen gemäht sind, was heute
nicht mehr selbstverständlich ist.
Für mich ist hier nicht nur mein
Zuhause, sondern auch ein Ort und
eine Quelle der Kraft, an der ich
meine Batterien auffüllen kann.
Wie hast du deinen Weg ins
Gymnasium in Klagenfurt erlebt?
Bist du jeden Tag mit dem
Bus gefahren?
Eigentlich bin ich tatsächlich jeden
Tag mit dem Bus von Zell nach
Klagenfurt gefahren, aber ich muss
zugeben, dass ich das nicht als
etwas Negatives erlebt habe. Ich habe
mich auf die Abwechslung gefreut,
auch das muss man zugeben,
wenn man in den Bergen lebt,
in der engen Umgebung,
wo man nur nach oben sieht,
aber nicht nach links und rechts,
finde ich es auch absolut wichtig,
manchmal raus zu kommen.
Das gilt nicht nur für ein Kind,
das etwas Neues sehen möchte,
sondern auch für Erwachsene.
Wenn ich also vorhin gesagt habe,
dass Zell eine Energiequelle für
mich ist, ist es auch ein Ort, vor
dem ich von Zeit zu Zeit flüchten
muss. Ich muss raus, damit es mich
nicht erdrückt, damit ich wieder
atmen kann und dann die Schönheit
dieser Beengtheit neu spüre.
Natürlich hat ein Ort wie Zell
Vor- und Nachteile. Es ist notwendig
rauszukommen, damit man mit großer
Freude wieder zurück kommen kann.
Du bleibst in deinem Heimatort Zell
aktiv, wo du auch Vorsitzende des
Katholischen Kulturvereins Planina
geworden bist.
Was treibt dich persönlich bei
deinem Engagement im Verein an?
Der Kulturverein KPD Planina
begleitet mich schon sehr lange.
Ich bin im Vorstand des Vereines
seit ich 16 Jahre alt bin, demnach
schon die Hälfte meines Lebens.
Der Verein hat zu meiner Entwicklung
beigetragen. Inhaltlich ist der Verein
sehr breit aufgestellt.
Da geht es um Bildung, es gibt
Theateraufführungen, es gibt auch
Filmabende, also da ist eine
Vielfalt, in der ich mich finde,
in der ich mich selbst auslebe.
Es scheint mir, dass das für einen
Ort wie Zell sehr wichtig ist, denn
das kulturelle Angebot ist absolut
notwendig,
denn heutzutage, mit dieser
Technologie und der Welt um uns
herum, denke ich, dass es sogar
noch wichtiger ist, dass wir den
Menschen auch ein hochwertiges
kulturelles Angebot bieten.
Bei all diesen Angeboten, auf
welche Herausforderungen stößt
ihr, bei der Arbeit mit dem
slowenischen Verein?
Vorhin habe ich Corona und die
Pandemie bereits erwähnt, wir
merken, dass weniger Besucher
zu den Veranstaltungen kommen
Wenn ich mit den Leuten rede,
sagen viele:
»Ich kann jetzt einfach nicht mehr
zu Veranstaltungen gehen.«
Corona hat also schon etwas mit den
Menschen gemacht.
Rein im sprachlichen Bereich ist
die Situation so, dass sich das
sprachliche Bild von Zell verändert.
Es gibt immer mehr Familien, in
denen es Mischehen gibt, aber das
ist nicht einmal so ein Problem.
Fakt ist, dass in den meisten
dieser Familien Deutsch vorrangig
ist und die Kinder entsprechend
schlecht Slowenisch sprechen.
Diese Familien kommen nicht
mehr zu Veranstaltungen.
Wenn ich eine Muttertagsfeier oder
ähnliches vergleiche, wenn wir
Puppenspieler zu Gast haben, wenn
wir Theateraufführungen für Kinder
veranstalten, war vor zehn, zwanzig
Jahren der Saal meist voll, aber
jetzt ist das nicht mehr so.
Also stehen wir vor den
Herausforderungen der Veränderungen
vor allem im sprachlichen Bereich.
Du hast erwähnt, dass der Verein
in- und ausländische Theatergruppen
einladet, Konzerte und Schulungen
organisiert.
Anlässlich des Vereinsjubiläums
habt ihr ein vielfältiges
grenzüberschreitendes Programm
vorbereitet.
Ihr ladet neue Leute ein und knüpft
Kontakte mit Slowenien.
Wie verbindet ihr euch mit Slowenien?
Würdet ihr euch da mehr wünschen?
Wenn ich hinzufügen darf, wir haben
das 120-jähriges Jubiläum gefeiert.
Der Kulturverein in Zell ist einer
der ältesten Kulturvereine in
Kärnten und wir haben wirklich
eine sehr lange Tradition der
Theatertätigkeit, die eine der
Säulen ist, die für dem Verein
sehr wichtig sind.
Das Theater fordert Jugendliche und
auch Erwachsene auf ihrem
sprachlichem Niveau, was natürlich
einen großen Stellenwert hat.
Wir verfügen über jahrzehntelange
freundschaftliche Kontakte zu
verschiedenen Theatergruppen aus
Italien und auch aus Slowenien.
Wir versuchen Kontakte aufrecht
zu halten und weiter zu führen.
Auch in diesem Zusammenhang gibt
es Probleme, wenn wir zum Beispiel
keine eigene Theatergruppe haben,
so wird der Austausch schwieriger,
aber wir versuchen es und hoffen,
dass diese Zusammenarbeit mit
verschiedenen Gruppen auch weiterhin
erfolgreich sein wird.
Wovon möchte ich mehr?
Ich möchte, dass die breite
Öffentlichkeit in Slowenien bzw.
Kulturschaffende im Allgemeinen
mehr über uns, die Kärntner Slowenen
und Kärntner Sloweninnen, erfahren.
Dann gäbe es ihrerseits vielleicht
mehr Interesse an Zusammenarbeit.
In der Praxis kommt die Anfrage in
der Regel von der Kärntner Seite in
Richtung Slowenien.
Eine große Ausnahme ist das Konzert
»Der letzte Kuss des Sommers«,
das ein Fixpunkt ist und bei dem
sich Gruppen an uns wenden,
um bei diesem Konzert in Zell
auftreten zu könnten.
Ansonsten betone ich noch einmal,
dass dieser Austausch leider eher
einseitig ist. Ich würde mir mehr
Impulse aus Slowenien wünschen.
Wie war es in Ljubljana?
Manches hast du schon erwähnt.
Wie war das Studium in Slowenien?
An diese vier Jahre in Ljubljana
erinnere ich mich sehr gern und
es sind Freundschaften entstanden,
die immer noch und wahrscheinlich
noch einige Jahre halten werden.
Das ist eine sehr schöne Sache,
denn aufrichtige Freundschaft ist
etwas sehr Seltenes und wir müssen
uns um sie kümmern.
Einige Freundschaften aus dieser
Zeit sind erhalten geblieben.
Grundsätzlich muss ich aber auch
sagen, dass ich sehr oft in
Situationen gekommen bin,
in denen jemand gehört hat, dass
ich einen Kärntner Akzent habe bzw.
kein ausgeprägtes »R«, dass man
angefangen hat, auf Deutsch oder
Englisch mit mir zu reden.
Meine Antwort war: »Aber mit mir
könnt ihr Slowenisch sprechen«.
Diese allgemeine Tendenz in
Slowenien, lieber Englisch oder
Deutsch als Slowenisch zu
verwenden, ist sehr präsent,
und das hat mich schon gestört.
Ich dachte mir: »Es kann nicht wahr
sein kann, jetzt bin ich endlich in
einer Umgebung, in der
Slowenisch die Hauptsprache ist,
und dann passiert das bei jeder
sich bietenden Gelegenheit«
Natürlich hat das zu
Diskussionen geführt.
Einige Leute sagten: »Danke, dass
du uns das erzählt hast, jetzt
denke ich anders über diese Dinge«,
aber dieses Bewusstsein, dass
Slowenisch gleichwertig ist, das
habe ich manchmal vermisst.
Ansonsten ist Ljubljana eine
wunderbare Stadt, eine tolle
Studentenstadt, bunt, vielfältig
und gerne bin ich zu Besuch.
Du bist auch Mitglied im Verband
slowenischer Regisseure.
Wie sehr bist du in die slowenische
Szene eingebunden und kannst du
sie mit der in Kärnten vergleichen?
Ehrlich gesagt muss ich sagen,
dass ich mit dieser Szene in
Slowenien deutlich mehr verbunden
bin als mit der in Kärnten.
Da ich in Ljubljana studiert habe,
habe ich Filmfreunde, Kollegen aus
Slowenien oder die meisten
davon in Slowenien.
Der Film »Sine legibus« wurde von
Slowenien finanziell unterstützt,
nicht von Kärnten oder von Österreich.
Die Beziehungen sind zu Slowenien
deutlich stärker als zu Kärnten.
Soweit ich die Situation in Kärnten
einschätzen kann, kann ich sagen,
dass es überall ähnlich ist.
In der Regel handelt es sich um
einen kleinen Kreis von Menschen,
die regelmäßig finanzielle
Unterstützung erhalten, und es ist
schwierig, in den Kreis zu kommen.
Sobald man Teil dieser Gesellschaft
ist, ist die Finanzierung von
Filmprojekten deutlich einfacher,
aber mir scheint, dass das keine
spezifisch kärntnerische Sache ist,
sondern dass es in Slowenien und
anderswo, sehr ähnlich ist.
In diesem Sinne ist Slowenien
eher meine Filmheimat als Kärnten.
Wie sind die Reaktionen auf deine
Arbeit bei den Kärntner Slowenen,
bei der deutschsprachigen Mehrheit
und in Slowenien?
Wo siehst du die Unterschiede,
wie erlebst du die Reaktionen?
Da meine Filme oft eine kärntner-
slowenische Thematik haben,
berühren diese Dinge natürlich die
Kärntner Slowenen und Sloweninnen.
Beim Film »Sine legibus« waren die
Emotionen sehr stark, sehr tief.
Bei deutschsprachigem Publikum
waren die Vorführungen sehr
interessant. An der Universität
Klagenfurt, als Studierende aus
deutschsprachigen Familien sagten:
»Jetzt verstehe ich euch Kärntner
Slowenen besser«, was ein sehr
schönes Kompliment ist, dass mir
das mit diesem Film gelungen ist.
Deutschsprachige zu erreichen ist
nicht so oft der Fall ist.
Die Universität Klagenfurt ist so
ein Ort, aber es ist nicht üblich,
dass deutschsprachige Vereine zu
einer Vorführung einladen, was aber
interessant wäre.
Hier gibt es also schon einiges
Potenzial, das genutzt werden
sollte und das ist auch ein Beweis
dafür, dass es in Kärnten wohl noch
viel zu tun gibt, um das gemeinsame
Leben weiter zu verbessern.
Wie erklärt man, dass nicht alles
so schrecklich ist?
Oder dass eben viele Dinge passiert
sind, die nicht richtig waren.
In Slowenien werden meine Filme
regelmäßig ins Programm genommen,
zum Beispiel beim Festival des
slowenischen Films. Wobei sie nicht
im Wettbewerbsprogramm sind,
sondern nur im Begleitprogramm.
Es kann also sein, dass hier noch
Potenzial vorhanden ist.
Warum sind meine Filme nicht im
Wettbewerbsprogramm?
Die Qualität der Filme ist für das
Wettbewerbsprogramm geeignet, und
Kärnten gehört auch zum
slowenischen Raum, sodass sie
aufgenommen werden könnten
in das Wettbewerbsprogramm des
slowenischen Filmfestivals.
Nicht, dass man mich jetzt falsch
versteht, aber das ist etwas, was
mir tatsächlich im Laufe der Jahre
aufgefallen ist, und ich habe es
mir nicht selbst ausgedacht,
sondern es wurde mir auch von
Filmkennern gesagt, die es
beobachten und die meine Filme
gesehen haben, und sich wundern,
warum einige dieser Filme nicht im
Wettbewerbsprogramm waren.
Aber es gibt auch viele Dinge, über
die ich mich sehr freue, zum
Beispiel darüber, Mitglied
slowenischer Regisseurinnen und
Regisseure zu sein. In diese Gruppe
kommt auch nicht jeder rein, man
muss eine ganze Reihe von Kriterien
erfüllen und es freut mich,
dabei zu sein.
Du bezeichnest dich als »aktiv
im Alpen-Adria-Raum«.
Was bedeutet das für dich?
Wie ich gerade erwähnt habe, ich
habe viele Kontakte im Filmbereich
im Slowenien. Kürzlich war ich
auch in Gorica im Kino Atelje, wo ich
den Film »Sine legibus« vorführte.
Diese Region ist also die Gegend,
in der ich mich bewege, in der ich
mich am einfachsten bewege,
weil sie sehr vielfältig ist,
verschiedene Dinge relativ nah
beieinander liegen, bedingt auch
durch das Studium in Ljubljana.
Ich lebe in Kärnten, also ist diese
Region gut für das Gestalten und
bietet viele Dinge, die noch besser
genutzt gehören.
Man kann sagen, dass der Film heute
eine pädagogische Funktion
übernommen hat und die moderne
Geschichte einem breiten Publikum
zugänglich macht.
Die individuelle Geschichte steht
systemisch in größeren Kontexten.
Wie bewertest du diesen Aspekte?
Vielleicht als zusätzliche Option
ein breiteres Publikum ansprechen?
Die Aufgabe von Filmemachern ist,
relevante, »brennende« Inhalte
anzubieten, die der Gesellschaft
Perspektiven zeigen können, die
vielleicht nicht so angenehm sind.
Film ist also ein Medium, mit dem
man viele Menschen erreichen kann.
In der heutigen Zeit, in der junge
Leute es gewohnt sind, Videoclips
anzusehen, die nur wenige Sekunden
dauern, ist es immer noch schwierig,
sie mit einer abendfüllenden
Dokumentation zu erreichen.
Der Film muss sehr gut gemacht
sein, von sehr hoher Qualität, um
tatsächlich einen jungen Menschen
für eine knappe Stunde vor dem
Bildschirm zu halten.
Wenn du deine erfolgreiche
Regiearbeit betrachtest,
welche Gedanken begleiten
dich dabei?
Ich muss zugeben, dass es keine
besonderen sind. Natürlich erinnere
ich mich sehr gerne an all diese
Dinge, als Teil meines Lebens.
Jeder einzelne Teil hat dazu
beigetragen, dass ich zu dem
geworden bin, was ich jetzt bin.
Gleichzeitig kann ich es kaum
erwarten, zu sehen, was als
nächstes kommt. Natürlich ist es
schön, zurückzublicken, aber mich
zieht es nach vorne. Mein Wunsch
ist weiter zu gestalten, dass ich
mit meinen Filmgeschichten
Menschen erreichen kann, dass
sich mir die Gelegenheit öffnet,
die Dinge zu verwirklichen, die
mir am Herzen liegen.
Es ist ein wunderschöner Weg,
den ich bisher gehen durfte, und
ich freue mich schon auf das,
was vor mir liegt.
Liebe Milena, vielen Dank für
dieses angenehme Gespräch, das
von der Regiearbeit erzählt und
voller interessanter Informationen
ist, die, wie ich hoffe, dein
Filmemachen unseren Zuhörern
und Zuhörerinnen auf
allen Seiten unseres gemeinsamen
Alpen-Adria-Raums näher bringen.
Ein herzliches Dankeschön auch von
meiner Seite, dass ich heute deine
Gesprächspartnerin sein durfte.
Vielen Dank für das Vertrauen und
die Einladung und alles Gute.
Wir sehen uns.
Sie hörten Katarina Wakounig Pajnič
im Gespräch mit Milena Olip
im Podcast
Unfolding Infinite Storyscapes.