Storyscapes

Kulturverein Interferenzen

Milena Olip

08.03.2024 32 min

Zusammenfassung & Show Notes

Herzlich Willkommen beim Podcast Unfolding Infinite Storyscapes des Kulturvereins Interferenzen.

Unser heutiger Gast ist Frau Milena Olip. Frau Olip lebt in ihrem Geburtsort Zell auf fast 1000 Meter Seehöhe unter den mächtigen Felshängen der Koschuta. Ihr Ausbildungsweg führte sie zuerst auf die Südseite der Karawanken, nach Ljubljana, später auch noch nach Berlin.
 »Wenn man ständig in den Bergen lebt, in der engen Umgebung, wo man nur nach oben sieht, aber nicht nach links und rechts, finde ich es auch absolut wichtig, manchmal raus zu kommen«, sagt Frau Olip im Interview. Diese Lebenseinstellung hat die Kärntnerin dazu gebracht, für ein Jahr eine Weltreise zu machen. Seit ihrer Kindheit ist sie im örtlichen Kulturverein tätig und seit vielen Jahren bereichert sie in ihrer bewegend poetischen Sprache die Filmwelt. Fühlt Frau Olip im Alpen Adria Raum ihren Wirkungsbereich, so berührt ihre Arbeit auch Menschen weit darüber hinaus. Mit ihrem neuesten Kurzfilm »Talking to a survivor/Pogovor s preživelim« konnte sie bisher 17 internationale Filmpreise gewinnen.

Welcher Weg führte sie zum Film? Was hat sich seit ihrer Kindheit in Zell verändert? Welche Herausforderungen sieht Frau Olip im kulturellen Schaffen? Kann es sein, dass die ausgesprochene Natur-Liebhaberin keine Grenze zwischen Kärnten und Slowenien wahrnimmt?
Hören sie  Katarina Wakounig-Pajnič, im Gespräch mit Milena Olip.

Gespräch mit deutschen Untertiteln:  https://youtu.be/EOrrdenLwUE

----------------------------------------------------------------------

Dobrodošli v podkastu Unfolding Infinite Storyscapes Kulturnega društva Interferenzen.

Naša današnja gostja je gospa Milena Olip. Gospa Olip živi v svojem rojstnem kraju Sele, skoraj 1000 metrov nad morjem, pod mogočnimi skalnimi pobočji Košute. Izobraževalna  pot jo je najprej zanesla na južno stran Karavank, v Ljubljano, nato pa v Berlin. Gospa Olip pravi:  »Ko ves čas živiš v hribih, v ozki okolici, kjer vidiš le navzgor, ne pa levo in desno, se mi zdi nujno, da se včasih odpraviš ven.« Tak odnos do življenja je Korošico pripeljal do tega, da je za eno leto potovala po svetu. Že od malih nog je aktivna v domačem kulturnem društvu in s svojo ganljivo poetično govorico bogati filmski svet že vrsto let. Gospa Olip meni, da je njeno območje delovanja v regiji Alpe-Jadran, njeno delo pa se dotika tudi ljudi preko tega območja. Z zadnjim kratkim filmom »Talking to a survivor/Pogovor s preživelim« je doslej prejela 17 mednarodnih filmskih nagrad.

Kakšna življenjska pot jo je pripeljala do filma? Kaj se je v Selah spremenilo od njenega otroštva? Kakšne izzive gospa Olip vidi v kulturnem delovanju v Selah? Ali je mogoče, da globoka ljubiteljica narave ne čuti meje med Koroško in Slovenijo?

Zdaj pa prisluhnite Katarini Wakounig-Pajnič v pogovoru z Mileno Olip.

----------------------------------------------------------------------

Mit Unterstützung von: Land Kärnten und BKA Interkulturelle Förderung


Transkript

Herzliche Willkommen beim Podcast Unfolding Infinite Storyscapes des Kulturvereins Interferenzen. Unser heutiger Gast ist Milena Olip. Frau Olip lebt in ihrem Geburtsort Zell auf fast 1000 Meter Seehöhe unter den mächtigen Felshängen der Koschuta. Ihr Ausbildungsweg führte sie zuerst auf die Südseite der Karawanken, nach Ljubljana, später auch noch nach in das weite Berlin. Frau Olip sagt: »Wenn man ständig in den Bergen lebt, in der engen Umgebung, wo man nur nach oben sieht, aber nicht nach links und rechts, finde ich es auch absolut wichtig, manchmal raus zu kommen.« Diese Lebenseinstellung hat die Kärntnerin dazu gebracht, für ein Jahr eine Weltreise zu machen. Seit ihrer Kindheit ist sie im örtlichen Kulturverein tätig und in poetischer Sprache bereichert sie seit vielen Jahren die Filmwelt. Fühlt Frau Olip im Alpen Adria Raum ihren Wirkungsbereich, so berührt ihre Arbeit auch Menschen weit darüber hinaus. Mit ihrem neuesten Kurzfilm »Talking to a survivor« konnte sie bisher siebzehn internationale Filmpreise gewinnen. Welcher Weg führte sie zum Film? Was hat sich seit ihrer Kindheit in Zell verändert? Welche Herausforderungen sieht Frau Olip im kulturellen Schaffen? Kann es sein, dass die Natur-Liebhaberin keine Grenze zwischen Kärnten und Slowenien wahrnimmt? Hören sie Katarina Wakounig-Pajnič im Gespräch mit Milena Olip. Milena Olip, Regisseurin und Drehbuchautorin, Kärntner Slowenin. Nach der Matura am Slowenischen Gymnasium hast du an der Pädagogischen Hochschule in Klagenfurt studiert, was dir jedoch nicht ausreichte, so hast du dein Masterstudium an der Akademie für Theater, Radio, Film und Fernsehen in Ljubljana fortgesetzt. Du bist Gastprofessorin an der Filmuniversität Konrad Wolf in Berlin. Filmemacherin, Drehbuchautorin und Volksschullehrerin. Milena, was hat deine Entscheidungen beeinflusst, wie und warum hast du dich für deinen Bildungsweg entschieden? Ja, es scheint mir, dass eins zum anderen führte. Nach der Matura wollte ich Architektur in Graz oder Wien studieren. Ich hatte damals nicht den Mut und beschloss, an der Akademie bzw an der damaligen Pädagogischen Akademie in Klagenfurt zu studieren, und nach 3 Jahren war ich Volksschullehrerin und begann zu unterrichten. Nach einem Jahr wurde mir klar, dass es nicht sein konnte, dass es das war und ging einfach so zur Aufnahmeprüfung nach Ljubljana, auch mit dem Wissen, dass ich mir später keine Vorwürfe machen werde, es nicht einmal versucht zu haben. Ich habe Ende August eine Nachricht aus Ljubljana erhalten, dass ich angenommen wurde, und gleichzeitig die Bestätigung, ich könnte als Lehrerin weitermachen, denn als junge Lehrerin bekommt man jedes Jahr einen neuen Vertrag, damit man weiter arbeiten kann, natürlich habe ich mich für Ljubljana entschieden. Eine solche Gelegenheit ist etwas Schönes, Einzigartiges, nichts Selbstverständliches, dass man an der Akademie in Ljubljana auf genommen wird. Dann ging ich nach Ljubljana und blieb dort vier Jahre. Es scheint mir, dass dies einer der wichtigsten Schritte in meinem Leben war, alles was folgte, wäre ohne dem wahrscheinlich nicht passiert. Auch dieses Gaststudium in Berlin. Ich hatte den Status einer Absolventin in Ljubljana und überlegte, wo ich die Diplomarbeit schreiben könnte, und entschied mich für Berlin. Es stellte sich heraus, dass Berlin eine sehr interessante, kreative und vielfältige Stadt ist, sodass ich zurückkam, ohne ein Diplom zu schreiben, aber mit einem ganzen Stapel und einem Rucksack an neuen Erfahrungen, neuen Ideen, und schrieb dann in relativ kurzer Zeit meinen Abschluss in Zell. Auch die Weltreise, zehn Jahre später, hätte ich ohne Berlin wohl nicht gemacht. Es ist also eine Art Dominoeffekt, aber es scheint mir, dass dieser einen sehr schönen Weg und ein schönes und interessantes Muster in mein Leben gezeichnet hat. Du hast uns deinen abwechslungs- reichen Studienweg beschrieben. Wer hat dich motiviert? Die Studienauswahlen? Kam das von dir selbst? Wie gelang es dem Mädl’ von unter der Koschuta, wenn ich das so sagen darf, auf unglaublich erfolgreiche Weise am internationalen Parkett der Regisseure Fuß zu fassen? Nun, ich muss zugeben, dass es zum internationalen Parkett noch ein großes Stück fehlt, aber Fakt ist, dass Weg weitergehen muss. Nach der Pädagogischen Akademie, bzw. nachdem ich schon ein Jahr unterrichtet hatte und finanziell selbstständig war, war die Information für meine Eltern neu, dass ich mein Studium in Ljubljana, um ein exotisches Studium wie Filmregie fortsetzen würde. So sagten mein Vater und Mutter: »OK, wenn du das möchtest, bezahlen wir die Wohnung, und du kümmerst dich selbst um alles andere« und das war natürlich schon eine große Hilfe, aber es war kein Impuls, der von meinen Eltern kam oder aus meiner Umgebung. Tatsache ist natürlich, dass es die Eltern waren, die mich in meiner Kindheit indirekt zu diesen Dingen geführt hatten, denn beide waren aktive Kulturschaffende, im Gesangs- und im Theaterbereich, und das sind natürlich Dinge, die einen Menschen, ein Kind, formen. Also haben vielleicht beide indirekt meine Entscheidung beeinflusst. Werfen wir einen kurzen Blick auf deine Entwicklung seit dem Jahr 2000, als du mit 18 Jahren den Kurzdokumentarfilm »Sanje/Der Traum« gedreht hast, darauf folgten 2006 »Libero« mit vielen Preisen, 2007 »Srce je žalostno«, 2008 »V roju kresnic«. Zehn Jahre später die großartige Präsentation von »Sine Legibus – auf den Spuren von 1976«. Was hat dir bei all dem Flügel verliehen, was inspiriert dich? Ja, es ist wohl notwendig, auf den Weg zurückzublicken bzw. dass das Eine notwendig war, dass das Andere möglich wurde. Ich habe »Sanje/Der Traum« zusammen mit meiner Kollegin Nadja Wakounig an der Pädagogischen Akademie aufgenommen. Im Fach Multimediakunst, damals eine neue, eine nicht greifbare Sache. Eine Möglichkeit war, eine Power Point-Präsentation zu machen, was damals noch nicht so alltäglich war, oder einen Film zu drehen. Und da haben wir beschlossen, einen Film zu machen, »Sanje/Der Traum«. Natürlich mit sehr bescheidenen technischen Hilfsmitteln, sozusagen auch ohne Filmkenntnissen. Wir haben alles mehr nach Gefühl gemacht und aus dem Inneren und vom Zufall geleitet. Der Film kam recht gut an und der damalige Professor sagte: »OK, der ORF veranstaltet dieses Jahr zum ersten Mal einen Kurzfilm- Wettbewerb, »Shorts on Screen«. Warum bewerbt ihr euch nicht auch mit diesem Film?« Und wir haben gewonnen. Dann wurden wir zur Diagonale nach Graz eingeladen und da haben wir zum ersten Mal, zumindest kann ich das für mich selbst sagen, dass ich dieses magische Gefühl von Filmfestivals gespürt habe. Das ist immer ein sehr magisches und wunderbares Ereignis, bei dem sich Menschen treffen, die Film lieben, die mit Filmen interessante Geschichten erzählen, und wahrscheinlich habe ich mich da mit diesem Virus infiziert, der mich bis heute nicht verlassen hat. Ich glaube, dass ich den für den Rest meines Lebens in mir tragen werde. »Sanje/Der Traum« ist wahrscheinlich auch der Grund, warum ich die Aufnahmsprüfungen in Ljubljana abgelegt habe. Und dann die Kurzfilme, die während des Studiums in Ljubljana entstanden sind. »Sine Legibus« ist eine solche interessante Geschichte. Mit Studien-Kollegen habe ich oft über die Kärntner Slowenen und Sloweninnen gesprochen. Gleichzeitig wurde mir klar, dass sie sehr wenig über uns wussten. Ich erzählte ihnen verschiedene Geschichten darüber, was hier in Kärnten passiert, und eine dieser Geschichten war die Entführung der Wahlurne in Zell. Alle sagten: »Milena, das ist eine Geschichte, die sich sehr gut als Film eignet.« Im optimalen Fall natürlich eine voll gespielte Form, denn sie enthält historische Fakten, sie enthält Handlung, da ist etwas, was sehr dynamisch ist. Warum hat es so lange gedauert? Von der ersten Drehbuchfassung bis zum fertigen Film vergingen sieben Jahre, d.h. gemeinsam mit dem Produzenten haben wir die erste Version des Drehbuchs eingereicht, die natürlich nicht genehmigt wurde, es hat immer etwas gefehlt und wir haben es jedes Jahr erneut versucht, das Drehbuch angepasst und nach sieben Jahren tatsächlich eine Basisfinanzierung bekommen und dann habe ich gesagt: »OK, so lange haben wir gekämpft, haben uns bemüht. Jetzt haben wir endlich eine Unterstützung, also muss jetzt gehandelt werden.« Anschließend dauerten das Drehen und die Postproduktion ca. ein Jahr. Im Jahr 2022 kam der Film »Talking to a survivor« heraus, der sich kritisch mit der Rüstungsindustrie auseinandersetzt. Der Titel stammt aus einem Gedicht von Erich Fried, der Erzähler im slowenischen Dialekt und auf Englisch ist Tom Priestly. Beim Online-Festival unabhängiger Filmemacher in Calgary wurde er als bester Film in der Kategorie Filme über die COVID-Zeit ausgezeichnet. Du sagst, der Überlebende im Film sei jeder, der sich dem System des Kapitalismus widersetzt. Was und vor allem warum willst du das dem Betrachter vermitteln? Es war eine ganz besondere Zeit. Wir befanden uns mitten in einer Pandemie, ich weiß, wie viele Familien tatsächlich unter diesen Lockdowns gelitten haben. Sie waren in ihren Wohnungen, sie konnten nicht raus und das waren wirklich extreme Situationen, in denen sie sich befanden. Und manche haben sich noch nicht vollständig erholt, aus dieser wirklich beengten Situation. Gleichzeitig habe ich erlebt, dass bestimmte Dinge so weiter liefen, als wäre nichts. Eines davon war die Waffenproduktion nicht weit von uns entfernt, und das hat mich so geärgert. Ich habe in mir, ich sage jetzt bewusst, Wut gespürt. Wahrscheinlich waren diese Gefühle von mir noch intensiver, weil ich hochschwanger war und ich mich gefragt habe, in was für einer Welt ich lebe, und da habe ich meine ganze Kraft zusammengenommen, natürlich auch mit Hilfe von vielen Leuten. Kameramänner, die diese wunderbaren Aufnahmen mit der Drohne kostenlos gemacht haben, und den Schnitt habe ich alleine gemacht. Das ist also eigentlich ein Low-Budget-Film, aber er scheint ganz gut zu funktionieren, und vor allem liegt die Qualität des Films wahrscheinlich darin, dass er auf poetische Weise eine grausame und brutale Geschichte erzählt. So heben auch die Reaktionen der Festivals, die Interpretationen der Jurys, die den Film ausgezeichnet haben, diese Gegensätze hervor: schöne Musik, schöne Bilder, eine poetische Sache und auf der anderen Seite die Brutalität, die uns jeden Tag umgibt. Du hast bereits deinen Herkunftsort, Zell, erwähnt. Kannst du unseren Zuhörern, die Zell vielleicht nicht kennen, dein Tal, deine Heimat, dein zu Hause vorstellen? Was ist für dich das Besondere daran? Du hast in Deutschland gelebt, du hast in Slowenien gelebt. Jetzt, wo du wieder hier lebst, kannst du die Menschen in all diesen Gegenden vergleichen? Zell ist ein Bergdorf mitten in der Karawanken, wir nennen es auch das Herz der Karawanken, wir sind von Bergen umgeben, mit schönen saftigen Wiesen. Zell ist immer noch sehr slowenisch geprägt, wobei hier auch erwähnt werden muss, dass sich auch in Zell die sprachliche Situation verändert. Verglichen mit der Zeit, als ich in die Volksschule ging, ist die Lage heute eine andere. Trotzdem ist das slowenische Kulturleben in Zell immer noch sehr lebendig und sehr aktiv. Für mich persönlich ist Zell auch eine Energiequelle, wie du schon gesagt hast, ich bin viel gereist, habe viel gesehen, aber Zell ist ein Naturjuwel. Die Natur liegt mir sehr am Herzen, und wenn man sie in Zell nicht findet, dann stimmt etwas nicht, denn die Natur ist hier immer noch sehr unberührt, die Leute achten auch immer noch darauf, dass die Wiesen gemäht sind, was heute nicht mehr selbstverständlich ​​ist. Für mich ist hier nicht nur mein Zuhause, sondern auch ein Ort und eine Quelle der Kraft, an der ich meine Batterien auffüllen kann. Wie hast du deinen Weg ins Gymnasium in Klagenfurt erlebt? Bist du jeden Tag mit dem Bus gefahren? Eigentlich bin ich tatsächlich jeden Tag mit dem Bus von Zell nach Klagenfurt gefahren, aber ich muss zugeben, dass ich das nicht als etwas Negatives erlebt habe. Ich habe mich auf die Abwechslung gefreut, auch das muss man zugeben, wenn man in den Bergen lebt, in der engen Umgebung, wo man nur nach oben sieht, aber nicht nach links und rechts, finde ich es auch absolut wichtig, manchmal raus zu kommen. Das gilt nicht nur für ein Kind, das etwas Neues sehen möchte, sondern auch für Erwachsene. Wenn ich also vorhin gesagt habe, dass Zell eine Energiequelle für mich ist, ist es auch ein Ort, vor dem ich von Zeit zu Zeit flüchten muss. Ich muss raus, damit es mich nicht erdrückt, damit ich wieder atmen kann und dann die Schönheit dieser Beengtheit neu spüre. Natürlich hat ein Ort wie Zell Vor- und Nachteile. Es ist notwendig rauszukommen, damit man mit großer Freude wieder zurück kommen kann. Du bleibst in deinem Heimatort Zell aktiv, wo du auch Vorsitzende des Katholischen Kulturvereins Planina geworden bist. Was treibt dich persönlich bei deinem Engagement im Verein an? Der Kulturverein KPD Planina begleitet mich schon sehr lange. Ich bin im Vorstand des Vereines seit ich 16 Jahre alt bin, demnach schon die Hälfte meines Lebens. Der Verein hat zu meiner Entwicklung beigetragen. Inhaltlich ist der Verein sehr breit aufgestellt. Da geht es um Bildung, es gibt Theateraufführungen, es gibt auch Filmabende, also da ist eine Vielfalt, in der ich mich finde, in der ich mich selbst auslebe. Es scheint mir, dass das für einen Ort wie Zell sehr wichtig ist, denn das kulturelle Angebot ist absolut notwendig, denn heutzutage, mit dieser Technologie und der Welt um uns herum, denke ich, dass es sogar noch wichtiger ist, dass wir den Menschen auch ein hochwertiges kulturelles Angebot bieten. Bei all diesen Angeboten, auf welche Herausforderungen stößt ihr, bei der Arbeit mit dem slowenischen Verein? Vorhin habe ich Corona und die Pandemie bereits erwähnt, wir merken, dass weniger Besucher zu den Veranstaltungen kommen Wenn ich mit den Leuten rede, sagen viele: »Ich kann jetzt einfach nicht mehr zu Veranstaltungen gehen.« Corona hat also schon etwas mit den Menschen gemacht. Rein im sprachlichen Bereich ist die Situation so, dass sich das sprachliche Bild von Zell verändert. Es gibt immer mehr Familien, in denen es Mischehen gibt, aber das ist nicht einmal so ein Problem. Fakt ist, dass in den meisten dieser Familien Deutsch vorrangig ist und die Kinder entsprechend schlecht Slowenisch sprechen. Diese Familien kommen nicht mehr zu Veranstaltungen. Wenn ich eine Muttertagsfeier oder ähnliches vergleiche, wenn wir Puppenspieler zu Gast haben, wenn wir Theateraufführungen für Kinder veranstalten, war vor zehn, zwanzig Jahren der Saal meist voll, aber jetzt ist das nicht mehr so. Also stehen wir vor den Herausforderungen der Veränderungen vor allem im sprachlichen Bereich. Du hast erwähnt, dass der Verein in- und ausländische Theatergruppen einladet, Konzerte und Schulungen organisiert. Anlässlich des Vereinsjubiläums habt ihr ein vielfältiges grenzüberschreitendes Programm vorbereitet. Ihr ladet neue Leute ein und knüpft Kontakte mit Slowenien. Wie verbindet ihr euch mit Slowenien? Würdet ihr euch da mehr wünschen? Wenn ich hinzufügen darf, wir haben das 120-jähriges Jubiläum gefeiert. Der Kulturverein in Zell ist einer der ältesten Kulturvereine in Kärnten und wir haben wirklich eine sehr lange Tradition der Theatertätigkeit, die eine der Säulen ist, die für dem Verein sehr wichtig sind. Das Theater fordert Jugendliche und auch Erwachsene auf ihrem sprachlichem Niveau, was natürlich einen großen Stellenwert hat. Wir verfügen über jahrzehntelange freundschaftliche Kontakte zu verschiedenen Theatergruppen aus Italien und auch aus Slowenien. Wir versuchen Kontakte aufrecht zu halten und weiter zu führen. Auch in diesem Zusammenhang gibt es Probleme, wenn wir zum Beispiel keine eigene Theatergruppe haben, so wird der Austausch schwieriger, aber wir versuchen es und hoffen, dass diese Zusammenarbeit mit verschiedenen Gruppen auch weiterhin erfolgreich sein wird. Wovon möchte ich mehr? Ich möchte, dass die breite Öffentlichkeit in Slowenien bzw. Kulturschaffende im Allgemeinen mehr über uns, die Kärntner Slowenen und Kärntner Sloweninnen, erfahren. Dann gäbe es ihrerseits vielleicht mehr Interesse an Zusammenarbeit. In der Praxis kommt die Anfrage in der Regel von der Kärntner Seite in Richtung Slowenien. Eine große Ausnahme ist das Konzert »Der letzte Kuss des Sommers«, das ein Fixpunkt ist und bei dem sich Gruppen an uns wenden, um bei diesem Konzert in Zell auftreten zu könnten. Ansonsten betone ich noch einmal, dass dieser Austausch leider eher einseitig ist. Ich würde mir mehr Impulse aus Slowenien wünschen. Wie war es in Ljubljana? Manches hast du schon erwähnt. Wie war das Studium in Slowenien? An diese vier Jahre in Ljubljana erinnere ich mich sehr gern und es sind Freundschaften entstanden, die immer noch und wahrscheinlich noch einige Jahre halten werden. Das ist eine sehr schöne Sache, denn aufrichtige Freundschaft ist etwas sehr Seltenes und wir müssen uns um sie kümmern. Einige Freundschaften aus dieser Zeit sind erhalten geblieben. Grundsätzlich muss ich aber auch sagen, dass ich sehr oft in Situationen gekommen bin, in denen jemand gehört hat, dass ich einen Kärntner Akzent habe bzw. kein ausgeprägtes »R«, dass man angefangen hat, auf Deutsch oder Englisch mit mir zu reden. Meine Antwort war: »Aber mit mir könnt ihr Slowenisch sprechen«. Diese allgemeine Tendenz in Slowenien, lieber Englisch oder Deutsch als Slowenisch zu verwenden, ist sehr präsent, und das hat mich schon gestört. Ich dachte mir: »Es kann nicht wahr sein kann, jetzt bin ich endlich in einer Umgebung, in der Slowenisch die Hauptsprache ist, und dann passiert das bei jeder sich bietenden Gelegenheit« Natürlich hat das zu Diskussionen geführt. Einige Leute sagten: »Danke, dass du uns das erzählt hast, jetzt denke ich anders über diese Dinge«, aber dieses Bewusstsein, dass Slowenisch gleichwertig ist, das habe ich manchmal vermisst. Ansonsten ist Ljubljana eine wunderbare Stadt, eine tolle Studentenstadt, bunt, vielfältig und gerne bin ich zu Besuch. Du bist auch Mitglied im Verband slowenischer Regisseure. Wie sehr bist du in die slowenische Szene eingebunden und kannst du sie mit der in Kärnten vergleichen? Ehrlich gesagt muss ich sagen, dass ich mit dieser Szene in Slowenien deutlich mehr verbunden bin als mit der in Kärnten. Da ich in Ljubljana studiert habe, habe ich Filmfreunde, Kollegen aus Slowenien oder die meisten davon in Slowenien. Der Film »Sine legibus« wurde von Slowenien finanziell unterstützt, nicht von Kärnten oder von Österreich. Die Beziehungen sind zu Slowenien deutlich stärker als zu Kärnten. Soweit ich die Situation in Kärnten einschätzen kann, kann ich sagen, dass es überall ähnlich ist. In der Regel handelt es sich um einen kleinen Kreis von Menschen, die regelmäßig finanzielle Unterstützung erhalten, und es ist schwierig, in den Kreis zu kommen. Sobald man Teil dieser Gesellschaft ist, ist die Finanzierung von Filmprojekten deutlich einfacher, aber mir scheint, dass das keine spezifisch kärntnerische Sache ist, sondern dass es in Slowenien und anderswo, sehr ähnlich ist. In diesem Sinne ist Slowenien eher meine Filmheimat als Kärnten. Wie sind die Reaktionen auf deine Arbeit bei den Kärntner Slowenen, bei der deutschsprachigen Mehrheit und in Slowenien? Wo siehst du die Unterschiede, wie erlebst du die Reaktionen? Da meine Filme oft eine kärntner- slowenische Thematik haben, berühren diese Dinge natürlich die Kärntner Slowenen und Sloweninnen. Beim Film »Sine legibus« waren die Emotionen sehr stark, sehr tief. Bei deutschsprachigem Publikum waren die Vorführungen sehr interessant. An der Universität Klagenfurt, als Studierende aus deutschsprachigen Familien sagten: »Jetzt verstehe ich euch Kärntner Slowenen besser«, was ein sehr schönes Kompliment ist, dass mir das mit diesem Film gelungen ist. Deutschsprachige zu erreichen ist nicht so oft der Fall ist. Die Universität Klagenfurt ist so ein Ort, aber es ist nicht üblich, dass deutschsprachige Vereine zu einer Vorführung einladen, was aber interessant wäre. Hier gibt es also schon einiges Potenzial, das genutzt werden sollte und das ist auch ein Beweis dafür, dass es in Kärnten wohl noch viel zu tun gibt, um das gemeinsame Leben weiter zu verbessern. Wie erklärt man, dass nicht alles so schrecklich ist? Oder dass eben viele Dinge passiert sind, die nicht richtig waren. In Slowenien werden meine Filme regelmäßig ins Programm genommen, zum Beispiel beim Festival des slowenischen Films. Wobei sie nicht im Wettbewerbsprogramm sind, sondern nur im Begleitprogramm. Es kann also sein, dass hier noch Potenzial vorhanden ist. Warum sind meine Filme nicht im Wettbewerbsprogramm? Die Qualität der Filme ist für das Wettbewerbsprogramm geeignet, und Kärnten gehört auch zum slowenischen Raum, sodass sie aufgenommen werden könnten in das Wettbewerbsprogramm des slowenischen Filmfestivals. Nicht, dass man mich jetzt falsch versteht, aber das ist etwas, was mir tatsächlich im Laufe der Jahre aufgefallen ist, und ich habe es mir nicht selbst ausgedacht, sondern es wurde mir auch von Filmkennern gesagt, die es beobachten und die meine Filme gesehen haben, und sich wundern, warum einige dieser Filme nicht im Wettbewerbsprogramm waren. Aber es gibt auch viele Dinge, über die ich mich sehr freue, zum Beispiel darüber, Mitglied slowenischer Regisseurinnen und Regisseure zu sein. In diese Gruppe kommt auch nicht jeder rein, man muss eine ganze Reihe von Kriterien erfüllen und es freut mich, dabei zu sein. Du bezeichnest dich als »aktiv im Alpen-Adria-Raum«. Was bedeutet das für dich? Wie ich gerade erwähnt habe, ich habe viele Kontakte im Filmbereich im Slowenien. Kürzlich war ich auch in Gorica im Kino Atelje, wo ich den Film »Sine legibus« vorführte. Diese Region ist also die Gegend, in der ich mich bewege, in der ich mich am einfachsten bewege, weil sie sehr vielfältig ist, verschiedene Dinge relativ nah beieinander liegen, bedingt auch durch das Studium in Ljubljana. Ich lebe in Kärnten, also ist diese Region gut für das Gestalten und bietet viele Dinge, die noch besser genutzt gehören. Man kann sagen, dass der Film heute eine pädagogische Funktion übernommen hat und die moderne Geschichte einem breiten Publikum zugänglich macht. Die individuelle Geschichte steht systemisch in größeren Kontexten. Wie bewertest du diesen Aspekte? Vielleicht als zusätzliche Option ein breiteres Publikum ansprechen? Die Aufgabe von Filmemachern ist, relevante, »brennende« Inhalte anzubieten, die der Gesellschaft Perspektiven zeigen können, die vielleicht nicht so angenehm sind. Film ist also ein Medium, mit dem man viele Menschen erreichen kann. In der heutigen Zeit, in der junge Leute es gewohnt sind, Videoclips anzusehen, die nur wenige Sekunden dauern, ist es immer noch schwierig, sie mit einer abendfüllenden Dokumentation zu erreichen. Der Film muss sehr gut gemacht sein, von sehr hoher Qualität, um tatsächlich einen jungen Menschen für eine knappe Stunde vor dem Bildschirm zu halten. Wenn du deine erfolgreiche Regiearbeit betrachtest, welche Gedanken begleiten dich dabei? Ich muss zugeben, dass es keine besonderen sind. Natürlich erinnere ich mich sehr gerne an all diese Dinge, als Teil meines Lebens. Jeder einzelne Teil hat dazu beigetragen, dass ich zu dem geworden bin, was ich jetzt bin. Gleichzeitig kann ich es kaum erwarten, zu sehen, was als nächstes kommt. Natürlich ist es schön, zurückzublicken, aber mich zieht es nach vorne. Mein Wunsch ist weiter zu gestalten, dass ich mit meinen Filmgeschichten Menschen erreichen kann, dass sich mir die Gelegenheit öffnet, die Dinge zu verwirklichen, die mir am Herzen liegen. Es ist ein wunderschöner Weg, den ich bisher gehen durfte, und ich freue mich schon auf das, was vor mir liegt. Liebe Milena, vielen Dank für dieses angenehme Gespräch, das von der Regiearbeit erzählt und voller interessanter Informationen ist, die, wie ich hoffe, dein Filmemachen unseren Zuhörern und Zuhörerinnen auf allen Seiten unseres gemeinsamen Alpen-Adria-Raums näher bringen. Ein herzliches Dankeschön auch von meiner Seite, dass ich heute deine Gesprächspartnerin sein durfte. Vielen Dank für das Vertrauen und die Einladung und alles Gute. Wir sehen uns. Sie hörten Katarina Wakounig Pajnič im Gespräch mit Milena Olip im Podcast Unfolding Infinite Storyscapes.